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Personal 9. Oktober 2020

Was ist eigentlich Bonding? Im Gespräch mit Hebamme Julia Salaske

Mit Bonding beschäftigt man sich früher oder später in der Schwangerschaft. Spätestens aber beim Geburtsvorbereitungskurs wird das Thema in aller Fülle besprochen. Julia Salaske hat sich als Hebamme unter anderem auf das Bonding spezialisiert und berät werdende Eltern was genau es mit jenem Begriff auf sich hat und wie das Bonden am besten gelingt.

Liebe Julia, du bist Hebamme und dreifache Mutter. Was kannst du aus eigener Erfahrung zum Thema Bonding sagen und wie wichtig ist es für die Entwicklung des Kindes?

Ich persönlich habe das Bonden immer sehr positiv erlebt mit meinen Kindern. Zum einen lag es meiner Meinung daran, dass ich gleich von Anfang an viel Zeit und Ruhe bekommen habe für die besondere Zeit und zu Hause sein durfte und zum anderen hatte mein Mann immer die Möglichkeit bei mir zu sein nach der Geburt. Natürlich war das Bonden beim ersten Kind anders als bei unserem dritten. Aber definitiv nicht schlechter sondern wir konnten beobachten, dass die Geschwister auch untereinander das „magische Band“ der Bindung eingehen. Ich finde Bonding stellt eine wichtige Komponente für die kindliche Entwicklung dar, hier wird das Urvertrauen gestärkt und wir lernen ein Kind lieben und kennen. Wir geben dem Kind damit Sicherheit und zeigen, wer seine engsten Vertrauten sind. Wissenschaftlich ist es nun auch erwiesen, dass sich Babys bestmöglich entwickeln können, wenn sie aus einer sicheren Umgebung kommen. Und das kann nur durch viel Zeit, Ruhe, Hautkontakt sowie Kuscheleinheiten entstehen.

Männer sind meistens am Kind nicht so nah dran wie Frauen. Hast du Tipps, wie Männer gleich zu Beginn eine engere Bindung zum Kind aufbauen können?

Der Mann sollte in der Zeit nach dem ersten Stillen mit dem Kind in den Haut auf Haut Kontakt treten dürfen. Sein Empfinden und seine Gefühle prägen hier seine frühesten Erfahrungen als Vater. Tipps aus meiner Sicht als Hebamme sind, sich so viel Zeit zu nehmen wie es nur geht. Wenn Frauen stillen möchten, bonden sie automatisch sehr viel am Tag, aber als Mann kann man dies auch wunderbar auf eine andere Art und Weise wie zum Beispiel mit tragen und kuscheln, wenn das Kind nicht gestillt wird. Oder auch das Wickeln und Baden schafft eine schöne Atmosphäre. Aber auch Spaziergange alleine mit dem Kind stärken nicht nur zusätzlich das eigene Vertrauen, sondern schafft auch Sicherheit mit dem Kind. Schön ist es immer, wenn der Partner viel Elternzeit nehmen kann.

Angenommen das Baby wird per Kaiserschnitt geboren oder im Alltag ergeben sich Situationen in denen eines der Elternteile nicht da sein kann. Schadet es der Eltern-Kind-Bindung, wenn das Bonding teilweise unterbrochen wird und kann jenes nachgeholt werden?

Da Bonding nicht als Ereignis zu verstehen ist, für welches es nur ein bestimmtes Zeitfenster gibt, sondern es auch als Prozess angesehen werden kann, wird deutlich klar, dass man es auch später nachholen kann. Ein Schaden findet hier nur statt, wenn das Bonden überhaupt keinen Stellenwert bekommt. Zum Nachholen ist zu sagen, dass man die gemeinsamen Kuscheleinheiten noch intensiver und ausgedehnter stattfinden lassen sollte und sogar richtige Bonding-Tage einführt, an denen nur Mutter-Vater und das Kind im Mittelpunkt stehen.

Gibt es gutes und schlechtes Bonding? Also kann man dabei etwas falsch machen?

Es gibt kein gutes oder schlechtes Bonding. Hier stellt sich aber auch die Frage, wer dies beurteilt.
Jede Familie, jedes Paar ist unterschiedlich und führt auf seine Weise das Bonden durch.
Wichtig hierfür ist tatsächlich, dass man sich Zeit für die besondere Phase nimmt und nicht von anderen Personen oder Reizen gestört wird.

Was passiert bei Vater und Mutter während des Bondings?

Das wichtigste Hormon, welches beim Bonding benötigt wird, ist Oxytocin, das sogenannte Liebes- und Bindungshormon. Und das können sowohl die Mutter als auch der Vater gleichermaßen produzieren. Somit hat hier keiner Nachteile. Unter dem Einfluss von Oxytocin beginnen beide Elternteile mit ihrem Kind zu kommunizieren und begeben sich in eine natürliche, intuitive Gelassenheit und stärken somit auch das Urvertrauen des Kindes.

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