Papa weg, Mama alleinerziehend. Diese Geschichte hört man oft, jedoch wird selten über das andere Szenario gesprochen: wenn die Mutter sich gegen die Familie entscheidet und der Vater die Erziehung übernimmt. Wie sich das anfühlt und wie sich diese neue Lebenssituation ergeben hat, darüber haben wir im sehr ehrlichen Interview mit Martin* gesprochen, der seinen Sohn primär alleine großzieht.
Du bist Papa von einem Sohn. Hast du dir immer schon Kinder gewünscht?
Der Wunsch, eine Familie zu gründen, war schon immer in meinem Leben präsent. Jedoch hatte ich den Wunsch nie hinterfragt. Warum möchte ich eine eigene Familie haben? Wie soll das Familienleben aussehen? Welche Werte möchte ich mit meiner Familie leben? Leider habe ich diese Fragen vor der Familiengründung für mich nie ausreichend beantwortet, so dass das Familienleben irgendwie immer chaotisch und selten wirklich glücklich war.
Dein Sohn geht mittlerweile in die 6. Klasse. Wie war die Anfangszeit mit ihm?
Da ich bei der Geburt meines Sohnes noch studiert habe, lag damals mein Fokus sehr stark auf dem Studium und auf die Anfangszeit meines Berufslebens. Der Einstieg in mein Berufsleben war am Anfang nicht sehr leicht, ich habe viele verschiedene (Neben)-Jobs gemacht, versucht, mich als Freelancer durchzuschlagen, was unterm Strich immer nur so viel Geld in die Kasse gespült hat, wie wir als Familie damals auch monatlich gebraucht haben. Deswegen war ich damals generell mit meinem Leben eher unzufrieden und hatte nicht so den Fokus auf meinen Sohn. Das hat sich im Laufe der Jahre immer mehr geändert.
Du lebst getrennt von deiner Partnerin. Wie kam es zur Trennung und mit welchem Modell lebt ihr heute?
Meine damalige Ehefrau hat sich von mir getrennt, da sie sich in der Familie eingeengt gefühlt hatte und ein neues Leben starten wollte. Deswegen war zum Zeitpunkt der Trennung sofort klar, dass mein Sohn bei mir leben sollte. Das war rückblickend mein großes Glück, da ich mir zu keiner Zeit vorstellen konnte, dass mein Sohn nicht bei mir wohnt. So konnten wir sehr schnell das Umgangsrecht klären: Er verbringt jedes zweite Wochenende bei seiner Mutter, die restliche Zeit ist er bei mir.
Du bist primär alleinerziehender Papa, da dein Sohn überwiegend bei dir lebt. Seit wann ist das so und wie fühlst du dich damit?
Seit nun rund dreieinhalb Jahren wohnt mein Sohn bei mir. Die Anfangszeit war sehr schwierig, da wir unter anderem unsere Wohnung verlassen musste. Mein Sohn ging damals in die 2. Klasse, das hieß für mich, dass er jeden Tag ab mittags bei mir zuhause war. Zusätzlich musste ich versuchen, den Haushalt und meinen Job unter einen Hut zu bringen. Ich habe dann relativ schnell gemerkt, dass ich mit der Situation komplett überfordert war, weswegen ich mir bei einer Therapeutin professionelle Hilfe geholt habe. Mein Sohn ist dann auch zu einer Kinderpsychologin gegangen. Inzwischen ist die Situation für mich Alltag und wir haben uns zusammen ein sehr gutes neues Leben aufgebaut.
Hast du das Gefühl, dass es für deinen Sohn Spätfolgen haben könnte, dass er möglicherweise relativ früh die enge Bindung zur Mama verloren hat oder bist du der Ansicht, dass eine Bezugsperson ausreicht?
Mein Sohn hat definitiv sehr unter der Trennung gelitten und tut es wahrscheinlich immer noch, ohne es allerdings zu zeigen. Man merkt es etwa, wenn er nach dem Wochenende bei seiner Mutter zurück zu mir kommt. Dann ist die Stimmung fast immer angespannt, da er sich wieder in das andere Umfeld einfinden muss. Dieser Wechsel ist für ihn immer eine emotionale Herausforderung. Grundsätzlich würde ich sagen, dass für ein Kind eine Bezugsperson ausreicht, unter der Voraussetzung, dass diese Person zu 100% in ihrer Erwachsenenrolle ist. Das heißt: Sie muss die Elternrolle wirklich ausfüllen, mit allem, was dazu gehört.
Hat die Trennung zu deiner Partnerin auch wirtschaftliche Folgen für dich und deinen Sohn?
Natürlich hatte die Trennung drastische wirtschaftliche Folgen, da ich anfangs nach der Trennung nicht mal Unterhalt bekommen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war als Freelancer auch die berufliche Aussicht sehr schwierig und dann kam Corona. Erst nach rund zwei Jahren hatte ich es geschafft, mein Leben wieder auf eigene Füße zu stellen. In der Zwischenzeit musste ich zu meinen Eltern ziehen und häufte auch noch einen Schuldenberg von mehreren Tausend Euro an, den ich derzeit versuche zu tilgen.
Gibt es Gruppen und Foren in denen du dich austauschen kannst? Und kennst du andere alleinerziehende Väter?
Persönlich kenne ich keine anderen alleinerziehenden Väter, hatte aber auch nie das Bedürfnis besonders mit anderen alleinerziehenden Elternteilen in Kontakt zu treten. Für mich war immer klar, dass ich meinen eigenen Weg finden musste, um mir ein neues Leben aufzubauen. Dabei hat mir meine Therapeutin sehr geholfen, ohne sie wäre ich heute nicht an dem Punkt, sagen zu können, dass ich mir zusammen mit meinem Sohn ein richtig tolles Leben aufgebaut habe.
Würdest du dir eine neue Beziehung und weitere Kinder wünschen?
Ein sehr wichtiger Teil meines neuen Lebens ist meine neue Partnerin. Ich bin sehr froh, dass ich sie kennengelernt habe, denn erst durch sie habe ich erfahren, wie eine Beziehung auch sein kann. Nicht nur passen wir viel besser zusammen, sondern haben auch beide den Anspruch, die Beziehung so großartig werden zu lassen, wie es nur möglich ist. Dadurch arbeiten wir konstant an uns selbst und das Zusammenleben wird jeden Tag schöner. Deswegen kann ich mir inzwischen auch vorstellen, mit ihr nochmal Kinder zu bekommen. Ihr Umgang mit meinem Sohn ist absolut vorbildlich und ich bin mir sicher, dass sie eine großartige Mutter sein wird.
*Name von der Redaktion geändert
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