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Best of Personal 17. Oktober 2022

Single Mum by Choice: Wie man ein Kind bekommt ohne Partner

Mutter werden mithilfe einer Samenspende: Wie genau funktioniert das eigentlich in Deutschland? Lena* ist diesen Weg gegangen, als der Kinderwunsch immer größer wurde, sie auf die 40 zuging und kein Partner in Sicht war.

Fünf Befruchtungsversuche später ist sie heute Single-Mum eines zweieinhalb jährigen Sohnes. Im Interview erzählt sie uns, welche Hürden sie auf sich genommen hat, was auf politischer Ebene noch für Alleinerziehende getan werden muss und wie teuer die Kinderwunschbehandlung ist.

Du hast dich bewusst dazu entschieden, alleine ein Kind mithilfe einer Samenspende zu bekommen? Kannst du uns erzählen, wie genau dieser Prozess abläuft?

Ich bin eine sogenannte „Single Mum by Choice“, d.h. ich habe mich bewusst dazu entschieden ein Kind ohne Partner zu bekommen. Was jedoch nicht bedeutet, dass ich mir keine Partnerschaft wünsche, ganz im Gegenteil. Es hat sich nur leider nicht ergeben und als die 40 immer näher rückte musste ich für mich eine Entscheidung treffen. Der Wunsch Kinder zu haben ist bei mir schon immer vorhanden gewesen. Ich habe vor ca. 10 Jahren das erste Mal davon gehört, dass dies auch ohne Partner mit Hilfe einer Kinderwunschklinik möglich ist. Damals noch nur im Ausland wie zum Beispiel in Dänemark. Daher waren Kinderwunschkliniken im Ausland auch meine erste Recherche, als es konkret wurde diesen Weg zu gehen. Ich habe dann jedoch glücklicherweise von einer Freundin den Tipp bekommen, dass es mittlerweile auch in Deutschland möglich ist. Ich habe mich in einer Kinderwunschklinik in Berlin behandeln lassen.

Ist die Kinderwunschbehandlung in Deutschland einfach zu bekommen? Und wie teuer ist es?

In den letzten Jahren hat sich viel getan. Es gibt zahlreiche Webseiten, Facebook-Gruppen und Blogs die informieren und auch die Kinderwunschkliniken selbst informieren über diese Möglichkeit. Die Kinderwunschbehandlung in einer Klinik ist nicht gerade günstig und man sollte sich im Vorfeld schon mit seinen finanziellen Möglichkeiten ausreichend beschäftigen. (Ich empfehle zum Beispiel madamemoneypenny.de)

Ich habe ca. den Wert eines Mittelklasse Kleinwagens investiert. Ich hatte insgesamt 5 Versuche, davon drei Inserminationen (IUI) und zwei IVF-Behandlungen bei der mir Eizellen entnommen und als befruchtetet Blastozyste wieder in die Gebärmutter eingebracht wurden. Bei der zweiten IVF hat es dann geklappt. Heute ist mein Sohn zweieinhalb Jahre alt.

Weißt du wer der Samenspender deines Sohnes ist und hast du die Möglichkeit mit ihm in Kontakt zu treten?

Ich habe den Spendersamen von einer dänischen Samenbank bezogen und habe ein umfangreiches Spenderprofil mit Angaben zu Hobbies, Aussehen, Familiengeschichte und Herkunft des Spenders. Außerdem habe ich ein kurzes Audio-Interview und einen handschriftlich geschriebenen Text sowie ein paar Kinderbilder, denen mein Sohn sogar sehr ähnlich sieht, bekommen. Die Entscheidung des Spenders habe ich sehr intuitiv getroffen. Ich fand das gesamte Profil sympathisch und habe nach einem Spender gesucht, der auch meinen Wunschvorstellungen von einem Partner im realen Leben entsprechen würde.

Ich selbst kann nicht mit dem Spender in Kontakt treten, aber mein Sohn kann dies tun, wenn er 18 Jahre alt ist. Es sind in Deutschland nur offene Spenden erlaubt. Der Spender ist also für die Spenderkinder niemals anonym. Außerdem gibt es die Möglichkeit zum Beispiel über Facebook Foren Halbgeschwister zu finden, also Spenderkinder vom gleichen Spender.

Wie hat dein Umfeld auf deine Entscheidung reagiert? 

Mein Umfeld hat sehr positiv reagiert. Meine Oma und meine Mutter sowie meine engsten Freundinnen habe ich vorher eingeweiht. Sie haben mich auf dem Weg begleitet. Meinen Vater, andere Freunde, sowie meinen Chef und Kolleg*innen habe ich erst informiert als ich schwanger war. Ich habe bisher keine negativen Reaktionen erlebt. Ich gehe offen damit um, wenn mich jemand fragt antworte ich ehrlich und beantworte auch gern alle Fragen. Ich sage aber meist bei fremden Personen einfach nur das ich Alleinerziehend bin.

Dein Sohn ist jetzt 2,5 Jahre alt. Hast du dich schon mit dem Thema befasst, wie du ihm eines Tages erzählen wirst, wie er entstanden ist?

Ja, damit habe ich mich auch schon vor seiner Geburt beschäftigt. Es gibt viele Frauen die auf meinem Weg schon weiter sind und darüber zum Beispiel in den Sozialen Medien berichten. Der Konsens ist, dass man von vornherein ehrlich mit dem Kind sein sollte. Sobald mein Sohn fragt, werde ich ihm kindgerecht erklären, dass mir ein netter Mann dabei geholfen hat ihn zu bekommen. Im Gegensatz zu vielen alleinerziehenden Frauen nach einer Trennung ist das Thema Vater/Erzeuger bei mir nicht negativ besetzt. Ich denke das wird mein Sohn auch spüren. Ganz im Gegenteil, bin ich diesem dänischen Mann sehr dankbar. Ich möchte auf jeden Fall auch mit meinem Sohn nach Dänemark reisen und finde den Gedanken ihn mit diesem Teil seiner Identität in Berührung zu bringen sehr schön. Außerdem gibt es zum Glück auch einige Kinderbücher die einem Spenderkind seine Geschichte kindgerecht erzählen und bei der Aufklärung unterstützen. (z.B. Pia Olsen „Wo ist Karlas Papa“)

Fällt es dir leicht Fremden deine Geschichte zu erzählen? Wie sind die Reaktionen darauf?

Je nachdem mit wem ich spreche, gebe ich mehr oder weniger Informationen, aber wenn jemand nachfragt bekommt er/sie auch eine ehrliche Antwort. Heterosexuelle Paare erzählen ja auch nicht jedem wie ihr Kind entstanden ist. Ich habe aber festgestellt, wenn man offen ist, erfährt man auch von Paaren, dass sie zum Beispiel die Hilfe einer Kinderwunschklinik genutzt haben. Leider wird das Thema schwanger werden immer als das normalste der Welt wahrgenommen, dabei haben so viele damit Probleme, über die meist nicht gesprochen wird. Wie oben schon erwähnt habe ich noch nie negative Reaktionen erlebt. Ich weiß aber auch, dass unsere Gesellschaft nicht überall so offen und liberal ist wie vielleicht in Berlin. Ich lese immer mal wieder negative Kommentare zum Beispiel unter Beiträgen von Single Frauen im Internet die damit an die Öffentlichkeit gehen.

Mama, Papa, Sohn und Tochter: Das Bild der „perfekten“ Familie ist immer noch sehr traditionell. Würdest du sagen, dass unsere Gesellschaft mittlerweile offener für andere Familienmodelle ist?

Ich glaube, dass unsere Gesellschaft immer offener dafür wird, aber es ist immer noch ein langer Weg. Wir hier in Berlin sind da sicher auch in einer Bubble unterwegs. Ich denke, wenn man irgendwo im ländlichen Raum lebt ist es nicht so einfach. Aber hier sind viele Konstellationen von Familie Alltag: Regenbogenfamilie, Patchworkfamilie, Co-Parenting oder Einelternfamilie, es gibt einiges außerhalb der heteronormativen Familienmodelle.

Hast du dir das Alleinerziehend-Sein so vorgestellt? Und was sind für dich die größten Herausforderungen im Alltag?

Dadurch, dass ich viele Mütter in meinem Freundeskreis habe, hatte ich schon vorher eine ziemlich reale Vorstellung vom Muttersein mit all seinen Höhen und Tiefen. Außer der Betreuung die ich nicht mit einem Partner teilen kann, habe ich die gleichen Herausforderungen zu meistern wie alle Mütter und Väter. Ich habe nicht das Gefühl mehr oder weniger Stress zu haben als andere Eltern. Mütter sind ja irgendwie gefühlt immer am Limit, Stichwort unbezahlte Care-Arbeit und Mental-Load. Ich habe das große Glück, das ich als Berlinerin meine ganze Familie in der Nähe habe. Meine Eltern sind großartige Großeltern und entlasten mich sehr. Ohne sie kann ich es mir schwer vorstellen, aber auch das würde man hinbekommen. Das weiß ich von vielen anderen Single-Moms, denen ich zum Beispiel auf Instagram folge.

Ist es deiner Meinung nach heutzutage machbar ein Kind ganz alleine groß zu ziehen? Sind die Rahmenbedingungen auch von Seiten der Politik dafür geschaffen? 

„Um ein Kind groß zu ziehen braucht es ein ganzes Dorf.“ Ich habe mir mein Dorf aus Großeltern, Freunden und Kita-Betreuung aufgebaut. Mein Sohn hat engen Bezug zu verschiedenen Menschen, nicht nur zu mir. Deswegen, ja es ist machbar ein Kind alleine großzuziehen, wenn man nach Hilfe fragt und diese auch annimmt.

Auf politischer Ebene gibt es noch einiges zu tun. Noch immer wird die Ehe mit Kindern gefördert zum Nachteil all jener, die in einer anderen Familienform leben. Alleinerziehende sind mit einer Vielzahl von Benachteiligungen im sozialen, wirtschaftlichen und persönlichen Umfeld konfrontiert. Steuerlich sind Alleinerziehende selbst gegenüber kinderlosen Ehepaaren benachteiligt. Aber auch beim Thema Wohnen: Ich würde gern in eine 3-Raumwohnung ziehen, kann es mir bei den hohen Mietpreisen aber nicht leisten und als Alleinerziehende bekomme ich nur einen WBS für eine 2-Raumwohnung (1 Raum pro Person). Außerdem bekomme ich auch keinen Unterhaltsvorschuss, wenn kein Vater vorhanden ist. Aber es gibt auch positive politische Entscheidungen, dank unserer Rot-Roten Landesregierung in Berlin haben wir seit August 2018 die kostenlose Kita-Betreuung von Geburt an, das entlastet sehr. Ich hätte aus finanziellen Gründen (Elterngeld) nicht länger als 1 Jahr zu Hause bleiben können und bin froh das ich ab dem 1. Geburtstag eine Kita-Platz hatte. Ich hatte auch keine Probleme einen Platz zu finden und habe sogar 5 Plätze angeboten bekommen. Dies lag aber sicher auch an meiner Wohngegend mit hoher Kita-Dichte, an meinem eigenen Engagement bei der Bewerbung und an der Tatsache das ich alleinerziehend bin.

Einige wertvolle Ressourcen für alle Frauen die sich auf dem Weg zur Solomutterschaft befinden:

www.solomamapluseins.de

www.solomamawege.de

kiwu-beratung.de

planningmathilda.com

*Name von der Redaktion geändert 

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